Ich schließe Frieden mit meinen Haaren. Oder auch: Embrace the grey

Meine Haare sind halt wie sie sind. Machen wir das Beste draus.

Ich musste offenbar erst 34 Jahre alt werden, um zu erkennen, was mir wirklich steht. Auch auf dem Kopf. Also welcher Haarschnitt. Jahre, ach was rede ich, jahrzehntelang wollte ich lange Haare haben. Eine Wallemähne schwebte mir vor. Am besten leicht rötlich oder nussig im Ton. So wie hier, oder hier. Absolut Haarvorbild war eine ganze Zeit lang Sienna Miller mit ihren blonden Haaren und Seitenscheitel. Oder auch DariaDaria (#hairgoals). Allein: Meine Haare machen das nicht mit. Weder habe ich persische Gene, die mir dicke, feste Haare versprechen, noch bin ich von Natur aus mit dickem, vollem Haar gesegnet. Nicht nur, dass meine Haare dünn und fein sind, nein, es sind auch lange nicht so viele wie in den Beispielen, sondern gerade mal die Hälfte, wenn ich großzügig bin.

Der bei anderen so coole Topknot sieht bei mir eher nach Fusselknötchen aus

Lange Haare also sehen bei mir schnell ausgefranst und fusselig aus. Ein “Topknot” oder “Bun” auf dem Oberkopf grenzt schon fast an Lächerlichkeit, weil es eben kein richtiger Knot, also Knoten, sondern eher ein Knötchen ist. Da kann man entweder jahrelang gegen an arbeiten, die Realität verklären und sich sagen: Ich mach das trotzdem um dann mit Fusselknötchen auf dem Köpfchen rumzulaufen. Oder man sieht den Tatsachen ins Auge und: Schneidet ab. Denn noch eins taten meine Haare, sobald sie eine bestimmte Länge erreichten: Sie brachen kurz nach schulterlang einfach ab. Es ging gar nicht, sie länger wachsen zu lassen, sie wollten schlicht nicht. Unter uns “Was will uns das Universum damit sagen”-Schwestern – das ist doch ein Zeichen.

Die Natur gibt uns meist die Haarfarbe mit, die uns wirklich steht.

Zum Thema Farbe: Bei einem Friseurbesuch, ich war gerade 25 Jahre alt und erste weiße Haare sprießten  meinem Straßenkötermitminimalrotstich, überlegte ich, wie so oft, ob ich nicht meine Haare färben sollte. Was ich früher und auch noch bis vor wenigen Jahren oft getan habe. Was die Friseurin damals sagte, gab mir den ersten Anstoß: Meist bekommt man von der Natur die Farbe mit, die einem am besten steht. Ich dachte etwas über diesen Satz nach und stellte dann fest: Stimmt. Wenn ich Freundinnen oder Bekannte sah, die sich ihre dunklen Haare mit blonden Strähnen aufpeppen ließen, führte das meist dazu, dass ihnen Kontur im Gesicht fehlte und sie blasser wirkten. Ließen sie die Strähnen rauswachsen, sah der Kopfbereich oft gleich viel harmonischer aus.

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Mit der Geburt meines Kindes änderte sich vieles. Auch meine Haarstruktur.

Hinzu kommt allerdings eine erstaunliche Veränderung: Mit der Geburt meiner Tochter änderte sich meine Haarstruktur. Während der Schwangerschaft ging mein natürlicher Haarausfall zurück, nach der Geburt nahm er dann, für mich persönlich, bedrohliche Ausmaße an. Vorne rund um die Stirn entblößten sich Geheimratsecken mit Fusselhäärchen. Um sich dann nach gut einem Jahr, mit dem Abstillen, wieder auf ein Normalmaß einzupendeln. Meine Haare seither? Die minimale Naturwelle ist nun einigermaßen ausgeprägt.

Ombré, das wollte ich, das war doch noch ein Versuch wert. Das war doch cool, oder?

Und dennoch wollte ich nach der Elternzeit erstmal eine Veränderung: Schulterlang sollten sie sein und die grauen Haare mit Farbe abgedeckt und außerdem noch helle Spitzen. Sprich: Ombré. Die Färbung war 2016 zwar eigentlich schon auf dem absteigenden Ast, ich stellte mir trotzdem vor, dass das bestimmt gut aussehe. Also legte die “Colour-Artist” in dem Innenstadt-Salon los. Und was tat sie? Obwohl ich Fotos zeigte und sagte: Oben nicht blond!? Sie wechselte dunkle mit hellen Strähnen ab und begründete es mit meinen grauen Haaren. Gut, dachte ich noch. Sie wird bestimmt wissen, was sie tut. Ende vom Lied: Ich hatte genau die gleiche Färbung im Haar wie sie und sah aus wie ein Fleckenhörnchen. Scheiße sah das aus. Nach zwei Wochen ging ich wieder hin und sie musste eingestehen, dass das blond mit schlichtweg nicht steht. Sondern mich blass macht. Also gab es eine dunklere Tönung.

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Ich mag meine Haare nun. So wie sie sind.

Und jetzt? Jetzt ist alles rausgewachsen und ich mag meine Haare nun. So wie sie sind. Mit der grauen Strähne vorne rechts, die im Sommer aussieht, als wäre sie von der Sonne verblichen. Mit der leichten Welle, die sich einstellt, wenn ich die Haare an der Luft trocknen lasse, ohne zu kämmen oder zu entwirren. Mit dem Sideswept, den sie ganz von alleine machen.

Extension reinmachen? Das bin ich nicht.

Lange Jahre habe ich mit meinen Haaren gehadert, sogar überlegt, ob ich Extensions reinmache, damit sie dicker und voller sind und ich sie lang tragen kann. Damit ich mir auch den coolen lockeren Knoten auf den Kopf schlingen kann. Das ist vorbei. Das bin ich nicht. Ich stelle mich auch nicht morgens hin und style ewig. Ich habe einen dicken Lockenstab aber der kommt nur an Feiertagen oder Geburtstagen zum Einsatz, um leichte Beach Waves zu machen. An allen anderen 360 Tagen muss das ohne funktionieren. Unkompliziert und schnell. Bevor ich zum Friseur gegangen bin, habe ich übrigens recherchiert. Realistisch: Was können meine Haare wirklich, was steht ihnen und was ist im Alltag möglich. Hier mein Pinterestboard, mit dem ich beim Friseur aufgeschlagen bin:

Mein persönlicher Friseurtipp dabei übrigens in Hamburg: The Hype. Fenja wusste anhand der Bilder, die ich mitgebracht habe und meinen Erzählungen ziemlich genau, was ich wollte, was meine Haare dazu realistisch besteuern können und schnitt dann genau so, dass alles wirklich exakt sitzt und passt, wie ich es mir gewünscht habe. Eine Bedingung gab es allerdings: Sie sagte, sie werde mir nie die Haare färben. Wegen der grauen Strähne. Ich bin einverstanden.